Diplomatie und diplomatisches Verhalten

Bei DMUN-Konferenzen werden Sitzungen der Vereinten Nationen simuliert. Das bedeutet, dass Sie als Teilnehmende einen Staat oder eine*n Nichtstaatliche*n Akteur*in in einem Gremium der Vereinten Nationen repräsentieren: Sie betreiben Diplomatie auf internationalem Parkett. Dazu gehört nicht nur, dass Sie die Interessen Ihres Staates oder Ihrer Organisation vertreten, sondern auch, dass Sie sich an Sprach- und Verhaltensstandards halten und im sogenannten Dresscode kleiden.

Diplomat*innen bei den Vereinten Nationen kommen aus allen Teilen der Welt zusammen, um gemeinsam Lösungen für globale, regionale und auch nationale Probleme zu finden. Sie sind in unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen und haben in der Regel unterschiedliche Werte, Normen, Traditionen und verschiedene Sichtweisen auf die Welt und ihre Probleme. Dies kann schnell zu Verständigungsschwierigkeiten führen und so die Verhandlungen stark behindern. Um dieses Problem zu umgehen, hat es sich bewährt, dass Diplomat*innen versuchen, eine künstlich geschaffene, gemeinsame Kultur zu leben, in der bestimmte Werte, Verhaltens- und Ausdrucksweisen geteilt werden. Sie kleiden sich ähnlich und sprechen in Verhandlungen stark formalisiert. Sie folgen also offiziell festgelegten und allen bekannten Regeln. So können mögliche Kommunikationsbarrieren aufgrund kultureller Unterschiede möglichst gering gehalten werden. Zu dieser künstlichen Kultur gehören auch bestimmte formalisierte Verhaltensweisen, wie diplomatische Empfänge. All diese Maßnahmen vereinfachen die Verständigung auf internationaler Ebene. Zudem wird grundsätzlich Wert darauf gelegt, dass Anderen mit Respekt begegnet wird, selbst wenn sich die Positionen und Meinungen stark unterscheiden.

Diplomatie im engeren Sinne bezeichnet dabei die Kunst der Verhandlung zwischen Vertreter*innen verschiedener Parteien. Ziel dieser Verhandlungen ist es nicht nur, die Interessen des eigenen Staates oder der eigenen Organisation durchzusetzen, sondern vor allem, Kompromisse auszuhandeln, die für alle Beteiligten zumindest tragbar sind. 

Diplomatie, wie sie bei den Vereinten Nationen betrieben wird, ist dabei abzugrenzen von der sogenannten “Public Diplomacy” (deutsch: Öffentliche Diplomatie). Damit werden alle Handlungen bezeichnet, mit denen ein Staat versucht, Vertrauen oder Verständnis zu bilden, indem mit einer weiteren ausländischen Öffentlichkeit außerhalb der Regierungsbeziehungen Kontakt aufgenommen wird. Public Diplomacy findet beispielsweise viel über das Medium “Twitter” statt – denn die dort gesendeten “Tweets” sind nicht nur den Regierungen anderer Staaten zugänglich, sondern allen Menschen. Damit hat Public Diplomacy aber auch ein anderes Ziel als UN-Diplomatie. Sie ist darauf ausgelegt, Reaktionen von Bürger*innen anderer Staaten hervorzurufen, deren Meinung teilweise stark von der der jeweiligen Regierung abweichen kann. Aufgrund dieser anderen Zielgruppe bedient sich Public Diplomacy häufig populistischer Methoden wie der Nutzung von Emotionen und der Vereinfachung komplizierter Sachverhalte. Diese Art der Kommunikation ist jedoch auf Ebene der Vereinten Nationen nicht zu beobachten. Sie passt nicht mit den formalisieren Verhaltensweisen innerhalb der UN zusammen, die bestehen, um eine sachliche und lösungsorientierte Debatte auf Augenhöhe unter den Mitgliedstaaten zu ermöglichen. 

Diplomatisches Verhalten

Diplomatisches Verhalten beruht auf dem oben dargestellten Verständnis von Diplomatie. Dazu gehören verschiedenste Aspekte – eine Auswahl dieser stellen wir Ihnen im Folgenden vor. Diplomatisches Verhalten ist dabei nicht nur von Bedeutung für Diplomat*innen, die von Staaten entsandt werden. Auch Vertreter*innen von Nichtregierungsorganisationen beachten die diplomatischen Verhaltensregeln, damit sie unter allen staatlichen und nichtstaatlichen Diplomat*innen ihre Position durchsetzen können. Dies betrifft darüber hinaus auch Mitglieder der internationalen Presse: Auch sie können sich einfacher auf internationalem Parkett bewegen, wenn sie sich diplomatisch verhalten. Zudem sind Handlungen von Diplomat*innen häufig nur dann zu verstehen, wenn man Diplomatie selbst verstanden hat – um informative und sachlich korrekte Artikel oder Pressemitteilungen zu verfassen, muss zunächst das Verhalten der Diplomat*innen “entschlüsselt” werden.

Diplomatisches Verhalten selbst hat in erster Linie viel mit dem Verhalten gegenüber anderen Diplomat*innen zu tun. Konkret lohnt es sich, folgende diplomatische Verhaltensweisen zu berücksichtigen: 

Anderen Personen und Positionen auf Augenhöhe und mit Respekt begegnen

Dieser Punkt schließt direkt an den vorherigen an. Wie bereits erwähnt, ist das Ziel auf internationaler Ebene häufig, Kompromisse zu erlangen. Ein solcher Kompromiss ist allerdings nur dann möglich, wenn kein*e Diplomat*in das Gefühl hat, hintergangen worden zu sein oder zu wenig gehört zu werden. Entsprechend ist Respekt einer der Schlüsselbegriffe auf internationaler Ebene – und ist zu jedem Zeitpunkt in der Zusammenarbeit vonnöten. 

In die Position der Verhandlungspartner*innen hineinversetzen

Um dies zu erreichen, ist es im ersten Schritt wichtig, die Position des Gegenübers zu verstehen. Dafür ist es lohnenswert, im Vorfeld der Konferenz die Papiere der anderen Delegationen zu lesen, um ihre Argumente kennenzulernen. Auf der Konferenz ist es wichtig, anderen Delegierten zuzuhören und sie ihre Standpunkte vollständig darlegen zu lassen. Erst danach ist es möglich, die Position zu verstehen und zu entscheiden, ob man sie unterstützen oder eine Gegenposition beziehen will.

Der zweite Schritt besteht in der Bereitschaft, die eigene Position zu überdenken und gegebenenfalls auch anzupassen. Dies bedeutet natürlich nicht, dass Sie Ihren Standpunkt notwendigerweise ändern müssen. Doch nur wenn Sie bereit sind, Ihre Meinung zu ändern, können Sie sich wirklich in die Position Anderer hineinversetzen. Diese Verhaltensweise hat auch einen strategischen Aspekt: Nur wer die Positionen der anderen Delegationen verstanden hat, kann sie erfolgreich entkräften – und Gegenspieler*innen womöglich sogar überlisten.  

Win-Win-Situationen suchen & Langfristigkeit vor Kurzfristigkeit

Besonders gut funktionieren Kompromisse, wenn alle Seiten das Gefühl haben, davon zu profitieren. Es lohnt sich, solche Win-Win Situationen zu suchen. Außerdem ist es auf internationaler Ebene ratsam, langfristige Kooperation anzustreben und diese kurzzeitigen, einseitigen Verhandlungserfolgen vorzuziehen. Dies mag in einer Situation, in der man selbst der*die einseitige Gewinner*in ist, merkwürdig erscheinen – hat man doch scheinbar die Position des Staates so gut wie möglich vertreten. Die Zusammenarbeit von Staaten auf internationaler Ebene ist allerdings von Langfristigkeit geprägt – solange die Staaten existieren, müssen sie dauerhaft zusammenarbeiten. Ein kurzfristiger, einseitiger Erfolg kann sich auf diese Zusammenarbeit stark auswirken: Partner*innen können sich auch hier hintergangen fühlen oder als Folge anstreben, ebenfalls kurzfristige einseitige Gewinne zu erlangen. Diese bedeuten dann wiederum möglicherweise Verluste für Ihren Staat. Es lohnt sich daher, in Verhandlungen auf internationalem Parkett auf lange Sicht zu kooperieren, damit alle Partner*innen Verhandlungserfolge erzielen – auch wenn das bedeuten kann, dass die Gewinne für die Einzelnen kurzfristig weniger hoch ausfallen. 

Konkrete Bestandteile diplomatischen Verhaltens

Über diese allgemeinen Verhaltensweisen hinaus gibt es auch ganz konkrete Maßnahmen, die Sie treffen können, um sich diplomatisch zu verhalten. Diese Liste ist nicht abgeschlossen, sollte Ihnen aber einen guten Überblick darüber geben, was konkret unter diplomatischem Verhalten zu verstehen ist.

In der dritten Person von sich sprechen

Sie vertreten als Diplomat*in nicht Ihre eigene Meinung, sondern die Ihrer Regierung. Aus diesem Grund ist es üblich, von sich selbst in der dritten Person zu sprechen, beziehungsweise den Namen Ihres Staates zu verwenden. In jedem Fall sollten Sie auf “ich” oder “wir” verzichten. Wenn Sie dies tun, machen Sie sich auch nicht persönlich für eine Position angreifbar. Gleichzeitig macht dies auch deutlich, dass die Position, die Sie als Vertreter*in einer Regierung einnehmen, nicht mit Ihrer persönlichen übereinstimmen muss.

Direkte Ansprache vermeiden

In der formellen Debatte sollten Sie die direkte Ansprache anderer Delegierter vermeiden. Sie richten Ihre Aufrufe, Fragen und Bitten nicht an die anwesenden Personen, sondern an die Staaten und Akteur*innen, die diese vertreten. Zu den Verhaltensweisen, die Diplomat*innen bei den UN festgelegt haben, gehört unter anderem, dass sie in formeller Debatte nicht direkt miteinander sprechen, sondern dies “über den Vorsitz” tun: dieser erteilt allen Delegierten das Wort und kann als einzige Instanz ein Missverständnis zwischen Delegierten formell klären.

Hochsprachliche Ausdrucksweise

Wie oben gezeigt, haben Diplomat*innen ihre eigene “Kultur” geschaffen, um Missverständnissen aus dem Weg zu gehen. Dazu gehört auch eine stark formalisierte Sprache, deren Aspekte Sie bereits kennengelernt haben, und eine hochsprachliche Ausdrucksweise – insbesondere umgangssprachliche Ausdrücke gehören meist nicht zur Fremdsprachenausbildung und können daher auf internationalem Parkett schnell falsch verstanden werden. 

Einhalten von Redezeiten, aufgeräumter Arbeitsplatz, etc.

Es wurde bereits betont, dass Respekt besonders wichtig ist, um gute Kompromisse zu finden. Dieser Respekt äußert sich beispielsweise im Einhalten von Redezeiten – aber auch darin, wie aufgeräumt Ihr Arbeitsplatz ist. Achten Sie auf der Konferenz zudem darauf, wie Sie mit Ihren Mitmenschen und den Konferenzmaterialien und -räumlichkeiten umgehen. Andere werden Sie anhand dessen beurteilen, wie zuverlässig Sie als Verhandlungspartner*in sind. 

Diplomatie bezeichnet die „Kunst der Verhandlung“. Dazu gehört konkret:

  • das Aushandeln von Kompromissen, die Suche nach Win-Win Situationen
  • anderen Personen und Positionen auf Augenhöhe und mit Respekt
    begegnen
  • sich in die Position der Verhandlungspartner*innen hineinversetzen

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